Prozessbericht vom 19. Verhandlungstag am 22. Juli 2014

Der Sommertermin startete damit, dass die Richterin die Zuhörer_innen auf etliche Dinge hinwies, die während der Verhandlung verboten seien: Kommentare abgeben, lachen, stören, Tonaufnahmen machen, Laptop-Kabel anstecken, essen… Einzelpersonen sowie ganze Gruppe würde die Richterin aus dem Saal verweisen, wenn sie sich nicht daran halten.
Am Vormittag wurden fünf Zeug_innen befragt. Zwei davon waren wegen eines Vorfalles geladen, der in diesem Verfahren mitverhandelt wird, aber mit der Anklage wegen §114 FPG „Schlepperei“ nichts zu tun hat. Zwei Zeug_innen waren von der Internetplattform mitfahrgelegenheit.at, ihre Einvernahmen dauerten jeweils nur einige Minuten. Die fünfte Zeugin hatte Kontakt zu manchen von den Angeklagten, sie hatte nie etwas für die Anklage Relevantes mitbekommen.

Nach einer längeren Mittagspause war um 12:00 Bezirksinspektor Martin Unger, Leiter der Soko Süd, zum dritten Mal geladen. Ein wesentlicher Teil der Befragung war wieder einmal der Versuch, etwas Ordnung in die chaotischen Akten zu bringen. Wieder verwies Unger etliche Male auf seinen Kollegen Kranz von der Soko Nord, teilweise bei denselben Fragen, bei denen Kranz auf Unger verwiesen hatte.
In einem Anklagepunkt wird jemand beschuldigt, weil er denselben Spitznamen wie der so genannte „Geschleppte“ hat. In einem anderen Punkt wird ein Angeklagter beschuldigt, weil er wusste, mit wem eine Person nach Österreich eingereist ist und im selben Zeitraum mit seinem eigenen Onkel telefoniert hat. Welche konkrete Tathandlung ihm dabei vorgeworfen würde, konnte der Zeuge nicht angeben.
Auch bei einigen anderen Punkten konnte Unger nicht beantworten, was die Beschuldigten konkret für illegale Handlungen gesetzt haben sollten und es stellte sich heraus, dass der Aktenführer der Ermittlungen nicht einmal in Betracht gezogen hat, dass es vielleicht auch andere Personen geben könnte, die „Pathan“ (Punjabi für „Afghane“) genannt werden, obwohl es aus den Telefonüberwachungsprotokollen deutliche Hinweise diesbezüglich gegeben hatte.

Bei zwei anderen Fakten musste Unger zugeben, dass dieselbe Person zweimal als s.g. „Geschleppter“ angeführt wird – Faktenüberschneidung. Unger: „Ja, es ist möglich dass es dieselbe Person ist“ Der Verteidiger fragt: „Haben Sie sich bis dato keine Gedanken dazu gemacht, das ist ja grundlegend wichtig?“ – „Natürlich hab ich mir Gedanken gemacht.“ Welche, das sei wohl dahingestellt.
Weitere Lücken in den Ermittlungen konnte Unger nicht wirklich zufriedenstellend schließen: Warum angehaltene Personen mit Zugtickets nach Italien nicht einvernommen wurden oder ermittelt wurde, ob sie nicht ein Ausreisezertifikat besessen hätten; warum man angenommen hatte, dass Personen, die in Traiskirchen aufgegriffen wurden und dann einen Asylantrag gestellt hatten, „geschleppt“ wurden oder werden sollten.

Am Ende der Verhandlung modifizierte die Staatsanwältin die Anklageschrift. Manchmal hat sie zwei Anklagepunkte zu einem zusammengezogen und die Vorwürfe verwässert. So wurde vorher den Beschuldigten in manchen Punkten die entgeltliche Beihilfe zur Einreise nach Österreich vorgeworfen, nun wird ihnen zum Beispiel die „Förderung der Einreise nach/über Österreich in ein anderes Land vorgeworfen“.

Um 16h endete die Verhandlung. Der Prozess wird am 8. September fortgeführt.