Auch der fünfte Prozesstag beginnt mit einer Überraschung: Die Staatsanwältin beantragt die Enthaftung der sechs Angeklagten, die seit acht (!) Monaten in Untersuchungshaft sind. Sie kommt damit den Anwält_innen zuvor, die ebenfalls die Enthaftung der Angeklagten beantragt hätten. Die Richterin gibt dem Antrag statt und unterbricht die Verhandlung für etwa eine Stunde. Am Ende dieser Stunde begeben sich die Angeklagten – so die Wortwahl der Richterin – “freiwillig wieder in den Verhandlungssaal”, zum ersten Mal ohne “Begleitung” von Justizwachebeamten und auch ohne Handschellen.
Die Staatsanwältin begründet ihren Antrag damit, dass die Fortführung der U-Haft nun in Anbetracht der Verhandlungspause bis Mai “unverhältnismäßig” wäre. Angesichts der absurden Vorwürfe und der wie sich herausstellte unhaltbaren Anklageschrift, in der neben massiven Übersetzungsfehlern den Beschuldigten teilweise ein- und derselbe Vorwurf mehrmals zur Last gelegt wird, kommt ihre “Erkenntnis” reichlich spät. Sechs Angeklagte waren acht Monate, zwei Angeklagte sechs Monate lang im Gefängnis, davon die ersten vier Monate unter massiver Überwachung, die auch bei Besuchen der engsten Bezugspersonen nicht unterbrochen wurde. Monatelang wussten sie nicht einmal, wann der Prozess gegen sie beginnen wird. Die U-Haft-Bedingungen wurden von den Angeklagten auch in den bisherigen Verhandlungen thematisert: So bat ein Angeklagter beispielsweise die Richterin darum, einmal nach Pakistan telefonieren zu dürfen. Als diese meinte, das sei ohnehin erlaubt, erzählt er, dass die zuständigen Sozialarbeiter_innen ihm das verwehrt hätten, mit dem Hinweis darauf, dass das die Richterin entscheiden müsse.
Die Staatsanwältin weist im Rahmen ihres Antrages ausdrücklich darauf hin, dass ihr Tatverdacht fortbesteht.
Nach diesem trotz alledem sehr erfreulichen Moment, wird die Verhandlung wie üblich fortgesetzt: Der Fünftangeklagte wird einvernommen. Ihm werden die ihm zur Last gelegten Anklagepunkte vorgehalten, anschließend wird er von der Staatsanwältin befragt. Diese wird immer wieder von der Verteidigung unterbrochen. Die Anwält_innen kritisieren, dass sie ihm zum Teil die “Zusammenfassungen der Zusammenfassungen” der Telefonüberwachungsprotokolle, die die Polizei tendentiös verfasst hat, vorhalte. Die Staatsanwältin begnügt sich damit, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass es sich bei ihren Vorhalten um Zusammenfassungen handle. Außerdem gibt sie ihm die Aussage eines weiteren Angeklagten falsch wieder, auch das wird von der Verteidigung kritisiert und richtig gestellt.
Der fünfte Prozesstag endet damit, dass die Richterin den nächsten Verhandlungstermin am 6. Mai 2014 (Beginn um 9 Uhr) ankündigt und sich mehrmals bei den nun nicht mehr inhaftierten Angeklagten erkundigt, ob sie auch wirklich verstanden haben, dass, wann und wohin sie am 6. Mai kommen müssen.
Es bleibt die Freude der Angeklagten, die nach acht Monaten Gefängnis, nun endlich wieder außerhalb der Mauern miteinander, ihrer Familie und Freund_innen sprechen können, selbst entscheiden können wann sie essen und schlafen wollen und wie sie ihre Zeit verbringen möchten.