Am 37ten Verhandlungstag wurden weitere entlastende Beweisanträge von Seiten der Verteidigung eingebracht. Der Anklagepunkt VV wurde fortgesetzt, in den folgenden vier Verhandlungsstunden aber nicht zu Ende geführt. Es wird am Montag, dem nächsten Verhandlungstag, also mit diesem Punkt weitergehen.
Der Verteidiger des fünft-Angeklagten legte dem Gericht Dokumente vor, die belegen, dass sein Mandant in dem Zeitraum der Ermittlungen zum Teil vier Jobs gleichzeitig hatte und damit genügend Geld verdiente, um nicht auf Gewinne aus „kriminellen Tätigkeiten“ angewiesen zu sein. Er legte auch Überweisungen vor, die regelmäßige Geldüberweisungen des Angeklagten zu seiner Familie belegen, und damit die Annahme der Polizei, er hätte über das auf Vertrauen basierende, schwer überprüfbare Geldsystem Hawala „Schlepperlöhne“ empfangen und an seine Familie überwiesen, ad Asurdum führen. Hätte der fünft-Angeklagte über Hawala zusätzlich Geld verdient, hätte er es seiner Familie auch direkt über Hawala zukommen lassen und das in Wien hart erarbeitete und dringend nötige Geld für sich behalten können.
Es wurde auch eine Liste aller Personen vorgelegt, die im Refugee Protest Vienna aktiv und letztes Frühjahr/Sommer im Servitenkloster untergebracht waren, gegen die gelinderes Mittel verhängt wurde. Die Liste wurde damals von der Fremdenpolizei im Servitenkloster ausgehängt. Sie verdeutlicht, dass vielen Personen aus dem Umfeld des fünft-Angeklagten Abschiebung drohte und viele Weitere eingeschüchtert waren, somit also viele Menschen gezwungen waren Österreich zu verlassen, die der fünft-Angeklagte kannte und daher unentgeltlich unterstützte.
Zusätzlich forderte der Verteidiger des fünft-Angeklagten die zeugenschaftliche Einvernahme von Dr.in Irene Messinger, die sich wissenschaftlich mit Migration und Migrationskontrolle auseinandersetzt und durch ihre fachlichen Kenntnisse die Annahmen der Polizei über übliche Umgangsweisen von Menschen auf Flucht/Migration in Frage stellen wird. (Wir erinnern nur an Aussagen von Polizeibeamten wie: Nein, dazu haben wir keine Beweise, das beruht auf Berufserfahrung, Sachkunde, etc). Messinger wird wissenschaftlich belegen (was selbstverständlich scheint), dass unentgeltliche Unterstützung zwischen Menschen, die zu unterschiedlicher Zeit nach Österreich migriert sind, vor allem wenn sie die selbe Sprache sprechen/aus derselben Region kommen, GANZ NORMAL sind.
Die Verteidigung des sechst-Angeklagten und des zweit-Angeklagten schlossen sich den Beweisanträgen an und fügten hinzu, dass sie für Telefonüberwachungen (TÜ’s), von denen ihre Mandanten sagen, dass sie ihnen fälschlicherweise zugeordnet wurden, eine Stimmüberprüfung fordern, sofern das Gericht ihren Mandanten nicht glaubt.
Der unglaublich umfassende Anklagepuntk VV wurde mit den üblichen Fragen fortgesetzt: Wie vielen Personen waren sie „behilflich“, was haben sie dafür erhalten, haben sie Personen nur verköstigt oder ihnen auch eine Übernachtungsmöglichkeit organisiert, usw.
Der fünft-Angeklagte, der hauptsächlich befragt wurde, wies öfters darauf hin, dass viele der überwachten Gespräche ungenaue Angaben und Vermutungen enthalten, was auch die teilweise widersprüchlichen Inhalte erklärt. Er erklärte auch, dass er zwar Personen, die neu in Wien angekommen waren, „empfangen“ habe, also sie mit Essen versorgt und, wenn nötig, ihnen einen Platz zum übernachten organisiert habe, diese Personen aber zum Großteil nach diesem Empfang wieder ihrer Wege gegangen seien.
Für die Richterin ist es weiterhin irrelevant, ob alles was die Angeklagten sagen, übersetzt wird oder nicht. Auch kommen weiterhin herablassende und belächelnde Kommentare von ihr. Als ein Angeklagter die Unverhältnismäßigkeit des Verfahrens ankreidete und den Dolmetscher aufforderte, ausführlicher zu übersetzen (die deutsche Version der Aussagen des fünft-Angeklagten waren erstaunlich viel kürzer als das, was er auf Punjabi gesagt hatte), wurde er nur Aufgefordert, tief durchzuatmen und sich zu Beruhigen. Auf die mangelhafte Übersetzung wurde nicht weiter eingegangen.