Der §114 FPG – der so genannte „Schlepperei”-Paragraf

2013 wurden laut dem jährlichen „Schlepperbericht“ des Bundeskriminalamts 352 Personen wegen dem Verdacht der Schlepperei aufgegriffen, der aktuelle Fall in Wiener Neustadt ist also nur einer von vielen. Die Rechtslage in Bezug auf „Schlepperei“ ändert sich häufig und ist stark geprägt von Diskussionen auf EU-Ebene, hier soll dennoch kurz auf die 2014 geltende Rechtslage eingegangen werden.
Aktuell ist der Tatbestand im §114 des österreichischen Fremdenpolizeigesetzes (FPG) geregelt.
Wie in vielen anderen Fällen wird auch hier Migration als Sicherheitsproblem für EU-Staatsbürger_innen thematisiert, so soll der Paragraph den Gesetzgeber_innen zur Folge etwa vor „Migrationsunrecht“ schützen und die „öffentliche Ordnung und Sicherheit“ aufrecht erhalten werden, auch der Schutz des Arbeitsmarkts wird thematisiert.
Strafbar macht sich, wer die rechtswidrige Ein- oder Durchreise eines oder mehrerer Fremden mit dem Vorsatz sich oder einen Dritten zu bereichern fördert. Dieses „Fördern“ wird sehr weit interpretiert. Gemeint ist damit jedes Verhalten das eine illegalisierte Ein-und Durchreise erleichtert oder ermöglicht, in Frage kommt also Schlafplätze zur Verfügung stellen genauso wie Ratschläge über einfachere Grenzübertritte zu erteilen oder Zugtickets zu kaufen. Dass wirklich jemand irgendwann irgendwo eine Grenze überschritten hat, ist nach der Rechtsprechung nicht notwendig, es genügt die „abstrakte Gefährdung“ dieses Grenzübertritts. „Bereicherung“ kann in Geld, aber auch in Zigaretten oder Essen bestehen, bereichern muss sich nicht der_die „Schlepper_in“ selbst, es reicht auch, wenn eine dritte Person davon profitiert.
Der Grundtatbestand der Schlepperei ist mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht, bestimmte, schwerere Formen mit einer Strafdrohung von 6 Monaten bis zu 5 Jahren, bzw. bei der Begehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung mit bis zu 10 Jahren.
Aus juristischer Perspektive kann kritisiert werden, dass nahezu jede Handlung für die irgendwo zwischen Personen, die am Übertritt nicht einmal beteiligt sein müssen, Geld fließt, den Grenzübertritt fördern kann. Gleichzeitig ist nicht notwendig, dass die beschuldigte Person über all die genannten Punkte Bescheid weiß, es reicht dass sie z.B. das fehlende Visum für möglich hält. In letzter Konsequenz verlangt das Gesetz daher z.B. von Personen die Mitfahrgelegenheiten anbieten oder Taxifahrer_innen, die Ausweise der Mitfahrenden zu kontrollieren und insofern Polizeiarbeit zu übernehmen.
Die Bekämpfung von Schlepperei ist ein zentrales Ziel nationaler und internationaler Politik: EU-Richtlinien und Rahmenbeschlüsse sollen die Rechtslage in den Mitgliedsstaaten vereinheitlichen, die Ermittlungen effektiver und Bestrafung härter machen, dass zeigen die Novellen des österreichischen Fremdenpolizeigesetzes 2000 und 2005.

§114 FPG fügt sich ein in eine Reihe von anderen rechtliche Bestimmungen, die Migration kriminalisieren und das Leben von Migrant_innen erschweren. Kriminalisiert werden unter anderem so genannte „Aufenthaltsehen“ und „Aufenthaltsadoptionen“, dazu kommt die restriktive Visa- und Asylpolitik, der stark eingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt, der unter gegebenen Verhältnissen viele in extrem prekäre Arbeitsverhältnisse drängt und die weit ausgebauten Kompetenzen, die die Polizei gegenüber von ihnen als „fremd“ eingestuften Personen hat.

Gesetze wie diese bauen auf der Unterscheidung zwischen Menschen mit und Menschen ohne Papieren auf. Genau deshalb bieten sie auch jede Menge Spielraum für „racial profiling“,wie sich auch im gegenwärtigen Prozess immer wieder zeigt. Für eine Identitätsfeststellung nach dem Fremdenpolizeigesetz genügt der Verdacht der Polizist_innen, die Person sei „illegal aufhältig“. „Geschleppt werden“ kann nur eine Person ohne gültigen Aufenthaltstitel. Welchen Aufenthaltstitel die vielen anfangs namenlosen Personen hatten um die es im Akt des aktuellen Falles geht, ist oft bis heute unklar. Klar ist nur, dass die Beamt_innen in der Hauptverhandlung mehr als einmal ihre „Berufserfahrung“ als Erklärung für solche Unklarheiten gebracht haben.