Heute wurde die Einvernahme von Bezirksinspektor Rudolf Kranz fortgesetzt.
Im Großen und Ganzen war die Gesamtsituation ähnlich wie bei den ersten beiden Verhandlungstagen, wo er geladen war.
Heute wurde etwas genauer nach der Vertrauensperson gefragt, die als Ausgangspunkt für die Ermittlungen gehandhabt wird. Ob diese etwas versprochen bekommen hätte damit sie aussagt. Nein, nur dass sie anonym bleibt. Warum sie dann zu Polizei gehen sollte und solche Aussagen machen sollte? Weil sie es vielleicht nicht gut fand, dass da „Schlepperei“ passierte.
Weiters ging es nochmal darum, dass praktisch keine Namen von so genannen „Geschleppten“ bekannt sind. Es wurden im Ermittlungszeitraum 783 Personen im Rahmen vom Asylerstinterview befragt. Die Frage nach der Reiseroute und möglichen Hilfspersonen ist verpflichtend Teil des Interviews. Das heißt, dass 783 Personen befragt wurden. Kranz sagte eindeutig, dass keine dieser Personen einen der Angeklagten belastete. Das steht sehr konträr zu dem, was Kranz am ersten Tag seiner Einvernahme mit der vorgelegten Statistik offensichtlich suggerieren wollte. (Siehe Bericht vom 14. Prozesstag)
Außerdem wurde Kranz nochmal gefragt, wie die Annahmen von den „Schlepperlöhnen“ eigentlich zustande kommen und ob es eigentlich Überlegungen gab dazu, wie viel Geld für Ticket, Verpflegung und Unterkunft ausgegeben werden muss, ohne dass jemand damit etwas verdient. Solche Überlegungen gab es nicht, Kranz pochte nur darauf, dass ein Ticktet nach Italien 45-80 Euro kosten würde. Auf Nachfrage vom letzten Mal, wo er gesagt hat, dass das aber schwer einzuschätzen wäre, weil er ja nicht wisse, ob die Betroffenen eine ÖBB-Vorteilscard hätte, bestätigte er diese Aussage. Ob er eigentlich wisse, wie so eine Vorteilscard zu beantragen ist, was sie kostet und welche Dokumente dafür benötigt werden, konnte er nicht beantworten, denn in dem Ort, in dem er wohnt, gibt es keinen Zug. „Na gut,“ meint ein Verteidiger, „Es könnte natürlich sein, dass das erste, was eine Person in Österreich tut, ist, dass sie sich eine Vorteilscard besorgt, aber vielleicht ist das ein bisschen schwierig wegen Papieren und so.“
Dann waren die Aktenüberschneidungen nochmal Thema. Es stellte sich nun endgültig heraus, dass in einem Bericht von Kranz mindestens zwei Fakten sich zumindest teilweise auf dieselbe Handlung beziehen.
In dem Abschlussbericht von Kranz kommt einmal ein „Pathan“(Punjabi für Anfghane) vor, der in dem Akt als „unbekannter Täter“ bezeichnet wird. In der Anklageschrift wird dieser „unbekannte Täter“ plötzlich ohne irgendwelche Hinweise einer der Angeklagten. Kranz bestätigte, dass es sich bei diesem Unbekannten nicht um den Angeklagten handelt.
Außerdem stellte sich heraus, dass Kranz konkrete Hinweise darauf, dass es sich bei einem konkreten „Mitr“ (Punjabi für Inder), nicht um einen der Angeklagten handeln könnte, nicht ausreichend berücksichtigt hat. Außerdem wurde ein Telefonat übersetzt, in dem die Bezeichnung Paa (Punjabi für ältere Inder) verwendet wurde, statt Paa wurde aber Mitr übersetzt und angenommen, dass die gemeinte Person einer der Angeklagten sei.
Die Fragen nach dem konkreten Vermögensvorteil für einen der Angeklagten konnte der Zeuge nicht beantworten.
Die Verteidigung konnte einleuchtend darstellen, dass im Zweifel immer Belastendes angenommen wurde und entlastende Aussagen, Hinweise und Überlegungen praktisch nicht beachtet wurden. Die zynische Antwort auf die Frage, ob sowas nicht hinterfragt wurde: „Natürlich, wir haben alles hinterfragt!“ Aha.
Es stellte sich heraus, dass die eine angeblich „geschleppte“ Person, welche namentlich bekannt ist und angeblich nach Italien gebracht werden hätte sollen, in Österreich gemeldet ist. Der Grund, warum die Person nicht befragt wurde, war weil sie zum Ermittlungszeitpunkt nur eine Obdachlosenmeldung hatte. Wann jetzt die Person konkret nicht in Österreich war, konnte Kranz nicht beantworten.
Nachdem Kranz mittlerweile wohl schon gesehen hat, dass er mit seiner Arbeit bei weitem keine Beweise für die Anklageschrift geliefert hatte, trat er heute die Flucht nach vorne an: „Ja, bei Schlepperei wird es immer Unschärfen geben.“
Die Einvernahme ist noch nicht beendet, morgen wird Kranz noch einmal kommen.