Über diese Broschüre

Diese Broschüre gibt Überblick über das Verfahren gegen acht Personen, die wegen §114 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), dem sogenannten „Schlepperei“-Paragraphen, im August 2013 festgenommen wurden und deren Prozess im März 2014 am Landesgericht Wiener Neustadt angefangen hat. Jetzt, im November 2014, ist ein Ende der Gerichtsverhandlung in erster Instanz in Sicht. Wir – die Verfasser*innen – sind eine Gruppe von Personen, welche die Angeklagten in diesem Verfahren solidarisch unterstützen. Wir sehen diesen Fall als einen von vielen, an dem die Auswirkungen der europäischen Migrationspolitik deutlich werden. Dabei wollen wir den gesellschaftlichen Kontext, in dem so ein Paragraph existiert, aus der Perspektive der Bewegungsfreiheit kritisch thematisieren. Außerdem halten wir die Gesetzesgrundlage der Vorwürfe und die Machtverhältnisse, die in diesem Verfahren reproduziert werden, bezeichnend für ein Justizsystem, das die staatliche Hegemonie und ein kapitalistisches System aufrecht erhält. Gefängnisse lehnen wir als Teil dieses Systems ab, die juristische Schuld oder Unschuld der Angeklagten war für uns auch deshalb nicht ausschlaggebend für unsere Unterstützung.

Die solidarische Unterstützung der Angeklagten, die wir versucht haben im letzten Jahr zu leisten, sehen wir als eine von vielen Möglichkeiten, auf den rassistischen Normalzustand zu reagieren.
Seit Sommer/Herbst 2013 haben wir Kontakt mit den Angeklagten, die damals noch in U-Haft waren, aufgebaut. Wir haben versucht, während der U-Haft und der Gerichtsverhandlungen praktisch zu unterstützen. Durch laufende Anwesenheit haben wir den gesamten Prozess solidarisch beobachtet, dokumentiert und von den Verhandlungen berichtet. Außerdem haben wir versucht durch Aktionen und Demonstrationen dieses Verfahren zu skandalisieren und seine Einbettung in den Kontext des europäischen Grenzregimes aufzuzeigen.
Wir waren klarerweise nicht die einzigen, die unterstützt haben. Ohne die vielen Leute, die sich von unterschiedlichsten Seiten beteiligt und geholfen, Eigeninitiative ergriffen und Durchhaltevermögen gezeigt haben, hätte dieses Verfahren mit Sicherheit völlig anders ausgesehen. Trotzdem ist uns bewusst, dass nicht immer alles gut gelaufen ist und es noch viele Dinge gibt, die (besser) gemacht werden hätten können.

Im Zuge dieser Unterstützungsarbeit sind die einzelnen Beiträge in dieser Broschüre entstanden. Sie ist eine überarbeitete und erweiterte Ausgabe einer Broschüre, die im März 2014 verteilt wurde.
Ihr findet Texte zum Hintergrund von diesem Verfahren, Allgemeines zum Paragrafen und dem österreichischen und europäischen Grenzregime sowie Statements und Interviews von den Angeklagten.

Wien, November 2014

Bezug zur Refugee Protest Bewegung

Auch wenn Migration von bestimmten Personen generell kriminalisiert wird ist klar, dass die Repressionsbehörden Protestbewegungen besonders im Blick haben. Der Zeitpunkt der Festnahmen kurz nach den Abschiebungen von acht Aktivisten der Refugeebewegung dürfte kein Zufall gewesen sein, sondern lässt auf eine Strategie der Behörden schließen, um die Refugee-Proteste zu delegitimieren. Mitten im Wahlkampf zu den Nationalratswahlen dienten die Vorwürfe der „Schlepperei“ zur Kriminalisierung der Bewegung und legitimierten ihre massive Überwachung.
Wir werten die Vorwürfe und den Paragraphen, auf dem sie basieren, generell als Teil der Kriminalisierung von Migrationsbewegungen in einem System, in dem „legaler“ Grenzübertritt für bestimmte Personen fast unmöglich ist. Der „Schlepperei“-Paragraph wird auch zur Repression von emanzipatorischen Bewegungen benutzt, die diese Logik der Migrationspolitik angreifen.
Die Ermittlungen zum aktuellen Verfahren haben durch die Bezüge zur Refugee-Protestbewegung viel Aufmerksamkeit bekommen, von Medien ebenso wie von Repressionsbehörden. Es ist uns wichtig, auf diese besonderen Bezüge hinzuweisen. Trotzdem sehen wir dieses Verfahren als eins von vielen in der Realität der europäischen Grenzpolitik.