Der heutige Prozesstag war verhältnismäßig kurz und wurde von Ereignissen überschattet, die nicht vorgesehen waren.
Die Verhandlung begann erst zwei Stunden später, da die Dolmetscher damit beschäftigt waren ein Telefonat genauer zu übersetzen. Anschließend wurden weiter Aktenteile von der Richterin vorgetragen.
Die Anträge auf Stimmenvergleich in Bezug auf die Telefonate, die nicht von den Angeklagten geführt wurden, wurden von den Verteidiger*innen zurückgezogen, sollte der Schöff*innen-Senat dem Glauben schenken, dass die Sprechenden nicht die Angeklagten sind.
Kurz vor der Mittagspause musste einer der Angeklagten ins Krankenhaus gebracht werden. Das sein gesundheitlicher Zustand angeschlagen ist, hängt auch mit den Belastungen des langwierigen Prozesses zusammen.
Nach dem Verhandlungstag wurde ein weiterer Angeklagter von einem immensen Polizeiaufgebot verhaftet. Es waren mehrere Polizeiautos im Park versteckt und auch nach der Verhaftung waren noch einige Polizist*innen an der Kreuzung vor dem Gerichtsgebäude positioniert. Die Begründung der Verhaftung war eine Rauferei am Vortag.
In den Medien wurde umgehend eine Sichtweise kolportiert, in der die Ursache des Streits auf Aussagen von einem der Angeklagten zurückzuführen wäre.
Obwohl es von Seiten der Polizei und Staatsanwaltschaft gar keine sicheren Infos über den Grund der Auseinandersetzung geben kann, hat der Sprecher der Staatsanwaltschaft schon bereitwillig die Medien mit seinen Spekulationen gefüttert.
Das Interview wurde zu einem Zeitpunkt gegeben, wo es erst die Anzeige eines Angeklagten gegeben hat. Der Grund für die Schlägerei kann also gar nicht mit Sicherheit gesagt werden. Trotzdem wurde die Stellungnahme dankend von den Massenmedien aufgenommen.
Die Staatsanwaltschaft und die Richterin müssen monatelange U-Haft und einen seit Mitte März andauernden Prozess rechtfertigen. Dies wird ihnen nur mit Urteilen gelingen, die auch medial gerechtfertigt sind. Insofern ist eine Auseinandersetzung zwischen den Angeklagten so kurz vor dem Urteil mehr als willkommen. Sie zeichnen das Bild der „Kriminellen“. Dass es auch die Umstände des Prozesses sind, die zu Konflikten zwischen den Angeklagten führen und dass Staatsanwältin und Richterin diese mitverursachen bleibt unbeachtet.
Der Prozess verschlechtert die Lebenssituation der Angeklagten immer mehr, tagelang werden private Telefongespräche von ihnen vorgespielt, die zwar Richterin, Staatsanwältin, Verteidiger*innen und die meisten Prozessbeobachter*innen nicht im Original verstehen, jedoch die anderen Angeklagten. Danach müssen sie zu jedem Telefonat und ihrem Privatleben der Richterin Rede und Antwort stehen. Der Rest der Verhandlung wird den Angeklagten nur selten übersetzt und viele Tage und Stunden sind vergangen, in denen sie nur still und die meisten ohne etwas zu verstehen im Schwurgerichtssaal anwesend sein mussten.
Während der U-Haft durften die Angeklagten (fast) keinen Kontakt mit ihren Verwandten haben und einige Familienmitglieder der Angeklagten sind in dieser Zeit gestorben. Dieser Verlust sitzt immer noch tief. Außerdem würde es eine Verurteilung sehr erschweren, noch in Österreich zu bleiben und die Angst vor einer Abschiebung ist groß. Diese Umstände führen zwangsweise zu Konflikten und können auch zu körperlichen Auseinandersetzungen führen.
Grundlage des Prozesses ist eine von der Polizei konstruierte „kriminelle Vereinigung“, die sich auf Spekulation begründet. Dass sich manche der Angeklagten vor dem Prozess nicht einmal kannten, zeugt davon, wie wenig Einblick die Behörden haben, wenn es darum geht, wie einzelne der Angeklagten zueinander stehen. Jegliche Auseinandersetzungen zwischen ihnen auf den Prozess zurückzuführen, kann damit keine vielschichtige Betrachtung der Ereignisse sein, sondern durch die Medien verbreitete Propaganda zugunsten der Staatsanwaltschaft und der Polizei, die vor der Öffentlichkeit noch ein Hemd reinzuwaschen haben.