Monthly Archives: May 2014

Prozessbericht vom zehnten Verhandlungstag am 23.05.2014

Die Einvernahme von Martin Unger wird fortgeführt. Der Zeuge ist Gruppeninspektor und Leiter der sogenannten “SOKO (Sonderkommission) Schlepperei Süd” des Landeskriminalamtes Burgenland die zum Thema “Schlepperei” ermittelt und vom Innenministerium eingesetzt ist. Er hat (wie gestern) eine große Tasche mit Akten dabei, zitiert zwischendurch aus den Telefonüberwachungsprotokollen und legt ebenso das am gestrigen (neunten) Prozesstag angekündigte Plakat mit den Verbindungen der überwachtenTelefone vor. Alle Angeklagten außer einer Person sind im Saal erschienen, diesmal kann nicht wieder über Unpünktlichkeit geklagt werden. Continue reading

Prozessbericht vom neunten Verhandlungstag am 22.05.2014

Heute wurde Gruppeninspektor Martin Unger einvernommen. Er hatte eine der wichtigsten Rollen bei der Konstruktion der Anklagschrift inne. Er schrieb für die Soko-Schlepperei einen der Abschlussberichte in Bezug auf fünf der acht Angeklagten, auf diesen stützt sich die gesamte Argumentation der Staatsanwaltschaft. Den zweiten wichtigen Abschlussbericht verfasste Bezirksinspektor Rudolf Kranz, der der nächste geladene Zeuge ist. Im Laufe der Vernehmung stellte sich heraus, dass die beiden erst getrennt ermittelten – Martin Unger für die Staatsanwaltschaft Wien und Rudolf Kranz für die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt – und die Akten später zusammengelegt wurden (das ist nur eine Erklärung für den extrem chaotischen Zustand der Akten). Fünf Stunden lang befragte nur die Richterin den Zeugen, morgen geht es mit den Fragen der Staatsanwältin und der Anwält*innen weiter. Continue reading

Prozessbericht vom achten Verhandlungstag am 21.05.204

Der heutige Prozesstag startete wieder mal mit 45 Minuten Verspätung, da es Beeinträchtigungen im Zugverkehr gab – anscheinend in den Augen der Richterin ein legitimer Grund fürs Zuspätkommen, im Gegensatz zu Krankheitsfällen. Vor den Einvernahmen forderte die Richterin potenzielle Zeug*innen auf, den Raum zu verlassen. Eine Person, die ebenfalls wegen Schlepperei angeklagt ist, wurde des Saales verwiesen, da sie als Zeuge geladen wird. Dafür durften zwei Polizist*innen weiterhin im Publikum bleiben, trotz Aufforderung von Seiten der Verteidigung, den Grund der Observation bekanntzugeben – warum sie dem Prozess beiwohnen, bleibt weiterhin unklar. Es befinden sich ca. 15 solidarische Prozessbeobachter*innen im Publikum, die sich immer wieder lautstark bemerkbar machen. Continue reading

Prozessbericht vom siebten Verhandlungstag am 07.05.2014 / Process report from the seventh day of the trial on the 7th of May, 2014

(english below)

Der siebte Verhandlungstag beginnt mit etwas Verspätung mit der Befragung von drei Polizist_innen, welche bei einer Personenkontrolle am Bahnhof Wien Meidling dabei waren.

Die Zeug_innen geben an, dass sie jeden Tag am Bahnhof Wien Meidling Kontrollen durchführen, zum besagten Zeitpunkt vermehrt, weil damals vermehrt „illegale Grenzgänger“ von Ungarn nach Österreich angekommen seien. Auf die Frage, warum bestimmte Leute kontrolliert wurden und andere nicht, waren die Antworten durchwegs rassistisch: Sie würden „nicht wie Österreicher aussehen“, wären „nicht ordentlich gekleidet gewesen“. Der Grund warum andere nicht kontrolliert worden sind, meint ein Zeuge, wäre, weil er vom Aussehen her gewusste hätte, dass es keine „Illegalen“ waren, „das waren keine Personen in diese Richtung [deutet mit dem Kopf auf die Angeklagten]“. Der Zeuge gibt weiter an, dass er am bloßen Aussehen erkennen könne, wer ein Tourist, wer ein „Österreicher mit Migrationshintergrund“ und wer ein „illegaler Grenzgänger“ oder „Asylwerber“ ist. Continue reading

Prozessbericht vom sechsten Verhandlungstag am 06.05.2014

Nach über einem Monat Pause ging der Prozess, heute etwas verspätet, wieder weiter.

Aus gesundheitlichen Gründen konnte einer der Angeklagten heute nicht erscheinen. Die Richterin drohte ihn aus dem Verfahren auszuscheiden, da dem Anwalt noch keine schriftliche Bevollmächtigung vorlag, die es ihm erlaubte die Verteidigung in Abwesenheit des Mandanten weiterzuführen.
Telefonisch wurde dies jedoch gleich nachgeholt, der Übersetzer bestätigte die mündliche Vollmacht. Trotzdem ließ die Richterin eine Streife zur Meldeadresse des abwesenden Angeklagten fahren um diesen zu überprüfen. Sie ließ die Verhandlung für 10 Minuten unterbrechen um sich mit den Schöffen darüber zu beraten, ob der erkrankte Angeklagte aus dem Verfahren ausgeschieden werden sollte. Nein, wurde er nicht, er ist weiterhin Teil des Verfahrens. Continue reading

Statement by some of the accused

This statement was written by some of the accused persons.

On tuesday, the 6th of may, our trial will continue.
There are a lot of mistakes in the “Anklageschrift” of our case, so
the trial had to be stopped after five days.
Who is responsible for our eight months in prison?
How can we explain the situation of our criminalization to our families? We lost a lot of family members while we were not allowed to contact them. The father of one person died, of one other the brother – everyone of us lost dear ones.
And this is human rights in Austria? Sometimes we feel like human rights
only apply for Austrian people here. Why are all the prisons full of
nun-Austrians?
Nine months after our arrest all of us were released. But this is only a
small success. One and a half month we were outside of prison, but in
reality we don’t feel free. The civil police is following us all the
time, searching for us and controls what we are doing. This is why our
mind is feeling like a second prison. We are confused and we understand
that it will not stop that the state and the police want to make us
criminals.

When we got released we felt very happy, but now the time is running
until we have to face the court again. It is very difficult to feel
treated fairly and as humans after so many months in prison, without
contact to our families, with many losses and all this investigation
going on. But we are strong!
We hope the judge will give us justice.

Aufruf zu solidarischer Prozessbeobachtung im “Schlepperei”-Fall

Der Prozess gegen acht Personen, denen “Schlepperei im Rahmen einer
kriminellen Vereinigung” (FPG §114) vorgeworfen wird, wird am Dienstag,
dem 6. Mai, fortgeführt.

Die Angeklagten wurden im Sommer von Polizei und
„Schlepperei“-Sonderkommissionen gefangen genommen und bis zu 8 Monate
in Untersuchungshaft festgehalten. Am 17. März 2014 begann die
Verhandlung im Landesgericht Wiener Neustadt.

Nach vier Verhandlungstagen wurde der Prozess Ende März vertagt und die
sich noch in U-Haft befindenden Angeklagten entlassen. Die Akten müssten
neu sortiert werden, die Beweislage sei zu uneindeutig und die weitere
Inhaftierung unangemessen, hieß es von Richterin und Staatsanwaltschaft.
Doch damit ist der Prozess nicht beendet – im Gegenteil!
13 weitere Prozesstage im Mai und Juni stehen nun fest.

Die Angeklagten freuen sich weiterhin über solidarische
Prozessbeobachtung und andere solidarische Aktionen!
Kommt zum Wiener Neustädter Gericht, schreibt Soli-statements, zeigt
eure Unterstützung.
Wir würden uns freuen, wenn am 6. Mai wieder besonders viele Leute zum
zweiten Prozessauftakt kommen, doch auch für jeden folgenden Termin ist
solidarische Prozessbeobachtung wichtig.

Die Kriminalisierung von “Grenzübertrittsdienstleistungen“ ist Ausdruck
eines kapitalistischen Grenzregimes, in dem nur wenige das Recht haben,
Grenzen zu überschreiten und andere illegalisiert und ausgeschlossen werden.

No Border – No Nation! – Support Migration!

Bei Fragen, Spenden, Rückmeldungen :
solidarityagainstrepression@riseup.net

solidarityagainstrepression.noblogs.org