Prozessbericht vom 15. Verhandlungstag am 18.06.2014

Heute wurde die Befragung von Bezirksinspektor Rudolf Kranz, der während der Ermittlungen Sachbearbeiter bei der Soko Schlepperei Süd war, fortgesetzt. (Siehe auch Bericht vom 14. Verhandlungstag)

Am Anfang wurde Kranz nochmal auf die Übersetzung angesprochen. Er wiederholte immer wieder, was er am Vortag schon gesagt hatte, gab aber schließlich zu, dass die Übersetzung von „Leute“ mit „Schleppungswillige“ nicht korrekt ist.
Zur Struktur der Soko gab Kranz an, dass der operative Leiter der Soko CI Bernhard Korner war, der oberste Leiter war Gerald Tatzgern aus dem Innenministerium (BMI). Kranz selber war bei Besprechungen mit Tatzgern dabei, mit Gruppeninspektor Unger (siehe Prozessberichte vom 9. und 10. Verhandlungstag) habe er sich fast jeden Tag besprochen.

Die Statistik vom Vortag (siehe Prozessbericht vom 14. Verhandlungstag) war noch einmal Thema in der Verhandlung. Ein Verteidiger machte Kranz darauf aufmerksam, dass sich laut dieser Statistik lediglich die Aufgriffe von illegalisierten Personen verringert hat, das aber nichts mit dem Fall zu tun hat. Daraufhin sagte Kranz, dass man daran sehen könnte, dass sich die „Drehscheibe Österreich“ verkleinert habe. Der Verteidiger wies Kranz darauf hin, dass das ja nichts mit diesem Fall zu tun haben kann, weil die Polizei hier praktisch keine Aufgriffe vorzuweisen hat.
Im Anschluss ging es um so genannte „Geschleppte“, die namentlich bekannt sind. Dabei wurde immer wieder der Name von genau einer Person genannt, die von Ungarn über Österreich nach Italien gebracht worden sein soll. Im Vergleich zu den 50 Anklagepunkten, in denen meistens von mehreren, noch auszuforschenden angeblich „Geschleppten“ die Rede ist, gibt es nicht einmal zu einer Handvoll Fakten die jeweiligen Namen.

Kranz wurde auch zur internationalen Zusammenarbeit befragt. Er drückte sich um die Antworten. Einmal suggerierte er, er hätte persönlichen Kontakt zu Behörden in Ungarn und Deutschland gehabt, zu den Inhalten sagte er jedoch nichts, dann wiederum sprach er davon dass die Information nur von EUROPOL sei. Am Ende des Verhandlungstages, als er nochmal auf darauf angesprochen wurde, stellte sich heraus, dass Kranz im Zuge der FIMATHU Zusammenarbeit eine Auslandsdienstreise machte, die über das BMI genehmigt wurde. Was dort besprochen wurde, sagte Kranz nicht. Er negierte auch, einen Bericht darüber verfasst zu haben und erst nach mehrmaligem nachfragen des Verteidigers gab er an, dass er Korner über die Dienstreise Bericht erstattet hatte.

Weiters wurde Kranz nochmal zu der Situation befragt, wo er die Ageklagten im Zuge einer anderen Observation im Sigmund Freud Park gesehen haben will. (Siehe Verhandlungsprotokoll vom 14. Prozesstag) Im Gegensatz zu dem, was Kranz am Vortag mit seiner Aussage suggerierte, sagte er heute, dass es ja nichts Illegales sei, wenn die gemeinsam im Sigmund Freud Park sitzen. (Sehr richtig, danke!)

Eine Person, die von Kranz als einer der „Köpfe in Österreich“ bezeichnet wurde, wurde während der Ermittlungen schon wegen einer anderen Sache festgenommen, jedoch wieder frei gelassen. Einer der Angeklagten wurde mit dieser Person bzgl. der Vorwürfe in Verbindung gebracht, weil er sie im Gefängnis besuchte. Warum dieser angebliche „Kopf in Österreich“ nicht festgenommen wurde, beantwortete Kranz mit „kriminalpolizeilicher Strategie“, da sie noch an „mehr Hintermänner“ kommen wollten. Wer diese Entscheidung getroffen hat und welche zusätzlichen Informationen dadurch gewonnen wurden, beantwortete Kranz nicht.

Ein Verteidiger fragte anhand von einem bestimmten Anklagepunkt, welche konkreten Handlungen die einzelnen Beschuldigten gesetzt haben sollen. Obwohl bei dem Faktum sechs Personen beschuldigt sind, konnte Kranz nur zu zwei angeben, was sie gemacht haben sollen. Als Beweise nannte er immer bloß TÜ-Protokolle. Angebliche „Geschleppte“ wurden nicht gesehen oder festgehalten. Einer der Angeklagten wird in diesem Punkt beschuldigt, weil er im besagten Zeitraum in einem Telefonat gesagt hätte „Im Park fängt es an.“ (Einwurf eines Verteidigers: “Eine Demonstration vielleicht!?”). Kranz erklärt, dass die Angeklagten ja auch „verschlüsselt reden am Telefon“, welche konkrete strafbare Handlung der Beschuldigte gesetzt haben soll, konnte er nicht beantworten.
Ein anderer wird auch in dem Fall beschuldigt. Was dieser konkret gemacht haben soll, fragte der Verteidiger. Kranz sagte: „Er hat auf jeden Fall davon gewusst.“ und gab schließlich zu, dass der Beschuldigte hier keine konkreten Handlungen gesetzt hatte.

Auch bei einem Beispiel wegen Geld stellte sich wieder einmal heraus, dass es keine Beweise gibt. Ob oder wie viel Geld geflossen ist, sind nur Mutmaßungen der Polizei.

Die Aktenverwirrung war immer wieder Gegenstand der Vernehmung. Kranz konnte die wenigsten Unklarheiten aufklären. Es ging um mögliche Faktenüberschneidungen; darum, dass dieselben TÜ-Protokolle für unterschiedliche Fakten verwendet wurden; um Vorwürfe im selben Zeitraum, von denen nicht klar ist, ob sie sich nicht auf dieselben Situationen beziehen, aber als unterschiedliche angeführt werden; um Unklarheiten über die Anzahl an Personen und wie die gezählt wurden und das Chaos durch das Zusammenlegen der Akten. Die Richterin zeigte sich offensichtlich genervt.

Am Ende der Verhandlung machten manche Angeklagten nochmal auf ihre Situation aufmerksam, wie sehr der Prozess sie einschränkt und dass sie wegen der Proteste im Sigmud-Freud-Park und der Votivkirche kriminalisiert werden.

Kranz bekam dann noch Hausaufgaben, was er sich bis zum nächsten Mal anschauen soll.