Prozessbericht vom 20. Verhandlungstag am 8. September 2014

Nach der Sommerpause fand schließlich der 20. Verhandlungstag im LG
Wiener Neustadt statt. Die Richterin erklärte zunächst den Tagesplan:
Geladen waren zwei Zeugen, die über die Mitfahrzentrale und Vermittlung
eines Angeklagten zwei Personen nach Deutschland gebracht haben sollen.
Außerdem jener Polizeiinspektor der eine bereits im Prozess verwendete
Flipchart erstellt hat, welche die mutmaßlichen Verbindungen zwischen
den Angeklagten und den so genannten „Hintermännern“ in Ungarn und
Griechenland verdeutlichen sollte. Der Wohnort eines weiteren Zeugen
konnte nicht ausgeforscht werden, dieser entfiel somit. Näher
eingegangen wurde auch auf die Modifikationen der Anklageschrift, wobei
die Staatsanwältin noch eine weitere Änderung hinzufügte.

Die ersten beiden Zeugen erzählten davon, wie sie Personen von Wien nach
Deutschland bringen hätten sollen, die Fahrt aber aufgrund von
„Verständnisschwierigkeiten“ und einem „mulmigen Gefühl“ wieder
abgebrochen haben.
Die langwierigen Erklärungen der Veränderungen der Anklageschrift
ergaben, dass es sich größtenteils um Umformulierungen handelte, die an
den Inhalten der Anklagepunkten wenig Wesentliches veränderten. Einige
Punkte fielen weg, da sie bereits durch einen anderen Anklagepunkt
behandelt wurden und sich die Fakten insofern überschnitten.
Anwält_innen kritisierten, dass die Anklageschrift durch einige der
Umformulierungen noch unpräziser wurde. Zusätzlich zu „auszuforschenden
Geschleppten“, von denen immer noch die Rede war, wurde aus konkret
benannten Ländern “ein anderes Land der EU”, die mögliche Personenanzahl
und der mögliche Tatzeitraum wurden teilweise erweitert.
Über eine Stunde lang versuchten im Anschluss die Richterin, die
Staatsanwältin und die Verteidiger_innen herauszufinden, wie Inspektor
Reinprecht zu den Daten, die auf der Flipchart graphisch abgebildet
sind, gekommen ist. Der Zeuge verwickelte sich
dabei immer wieder in Wiedersprüche, Thema war durchgehend eine
Datenbank des Innenministeriums mit der rassistischen Bezeichnung
„Factotum Südostbalkan“. Wer genau die teilweise falschen Daten dort
eingegeben hat konnte er nicht aussagen, ebensowenig warum ein
Angeklagter auf einer Grafik aufscheint, die seine internationalen
Kontakte aufzeigen soll, obwohl er solche nachweislich nicht hatte. Auch
wurde klar, dass die Grafik nicht wie in der Überschrift suggeriert die
Anzahl der „Telefonverbindungen“ zeigte, sondern auch miteingerechnet
ist, wer welche Nummern im Handy eingespeichert hatte, wenn dieses
beschlagnahmt worden war. Die Übersetzung für diese Einvernahme war wie
so oft auf einige wenige Minuten begrenzt.
Abschließend begann die Richterin mit der Einvernahme eines Angeklagten,
die Einvernahmen der restlichen Angeklagten werden in den nächsten Tagen folgen.
Am Ende des Tages wurde diskutiert, wie mit den Protokollen der Telefonüberwachung
umgegangen werden soll. Die Richterin stellte zwei Optionen zur
Entscheidung: Entweder würden die Protokolle wortwörtlich durchgegangen,
oder zusammenfassend von ihr vorgetragen. Nach kurzer Beratungszeit
plädierten einige der Anwält_innen dafür, nicht jedes einzelne
Protokoll wortwörtlich zu behandeln, aber stellten sich gegen eine
generelle Einwilligung alles zusammenfassend darzustellen, da sich die
in der Verhandlung vorgespielten Aufnahmen in weiten Teilen als
tendenziös oder falsch herausgestellt hatten. Nach kurzer hitziger
Diskussion zog sich die Richterin mit den Schöff_innen zur Beratung
zurück und entschied sich dafür jedes Protokoll wortwörtlich zu
verlesen, ein „ja mit einer Bedingung“ sei in der Strafprozessordnung
nicht vorgesehen, sie lehnte somit den Vorschlag der Verteidigung ab,
einzelne Protokolle die entscheidungsrelevant wären herauszunehmen und
wortwörtlich zu behandeln. Ob der Prozess am 1.Oktober sein vorläufiges
Ende findet bleibt weiter unklar, scheint aber aufgrund dieser
Entscheidung eher unrealistisch. Einen genauer Verhandlungsplan wurde
nicht genannt, die Forderung nach mehr Übersetzung für die Angeklagten
aus dem Publikum wurde von der Richterin zwar befolgt, aber mit der
Drohung, Zuhörer_innen auszuschließen erwidert.